Allgemeines
Die St. Marienkirche in Klütz zählt zu den bedeutenden Stadtkirchen in Mecklenburg.
Der älteste Teil der dreischiffigen Hallenkirche - der Chorraum - stammt aus der
Mitte des 13. Jahrhunderts und zeigt noch deutlich romanische Einflüße. Das Langhaus
wurde später im Übergangsstil (Romanik-Gotik) erbaut. Der quadratische Turm (56m)
wurde als letzter Bauteil wohl erst im 14. Jahrhundert angefügt und diente in früherer
Zeit als Seezeichen. Der achteckige Helm hat die Form der in Norddeutschland
typischen "Bischofsmütze"
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Das älteste vorhandene Stück der sonst in den vergangenen Jahrhunderten verlorengegangenen
mittelalterlichen Ausstattung ist der schöne Taufstein aus Granit mit romanischen Bögen -
noch im 13. Jahrhundert geschaffen, über die Hanse sehr wahrscheinlich aus Skandinavien
importiert, hat er sicherlich von Anfang an in dieser Kirche gestanden.
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Das Chorgestühl rechts vom Altar ist eine aussagekräftige gotische Schnitzarbeit und
wurde nach Vollendung des Hallenbaus für die die Messe zelebrierenden Kleriker eingebaut.
Die Armlehnen zwischen den Sitzen enden in menschlichen Köpfen mit verschiedenem Gesichtsausdruck.
Auf den Wangen sieht man rechts die Verkündigungsszene, links die heilige Katharina und einen
Heiligen mit Bischofstracht.
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Die Kanzel (1587) wurde für die Predigt im protestantischen Gottesdienst erforderlich. Sie trägt
die Wappen der umliegend ansässigen Adelsgeschlechter.
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Die geschnitzte Taufe von 1653 ist mit Jesus, Aposteln und Evangelisten geschmückt und mit der
Taufe Christi auf dem Deckel gekrönt.
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Der Barockaltar, 1730 in Wismar hergestellt, bietet die typischen Themen Abendmahl, Kreuzigung
(eine Kopie nach A. van Dyck) und Auferstehung. Die aus Lindenholz geschnitzten Figuren gehören
zum ikonografischen Programm und stellen Maria und Johannes dar. Um Marmor zu imitieren, wurden
sie mit weißer Farbe gestrichen.
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Beim Verlassen der Kirche durch das Südportal "bittet" der mittelalterliche Opferstock seit
Jahrhunderten um Spenden zum Erhalt unserer alten Backsteinkirche
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Geschichten rund um die Kirche
Vier Taufen und ein Kugelblitz
Pastor Wömpner berichtet in seiner Chronik aus dem Jahre 1950:
"Am Pfingstsonntag, d. 20.5.1950 zog ein Gewitter über Klütz hinweg.
Während am Altar vier Kinder getauft wurden, schlug ein Kugelblitz in die Kirchturmspitze.
Da die Ableitung unterbrochen, also nicht in Ordnung war, sprang der Blitz auf die Zifferblätter der
Uhr, zerstörte das Uhrengehäuse und sprang dann auf die Lichtleitung und von dort auf die Leitung
des Ortsstromnetzes.
Der Blitzschlag erfolgte um 11.58 Uhr. Die Kirche war sofort voller Rauch. Der Kirchendiener
Brüggemann, der sich unterhalb des Uhrengehäuses auf dem Turmboden befand, wurde vom Luftdruck
niedergeworfen. Draußen hörte man Rufe: "Feuer, Feuer! Es brennt" Aus dem Kirchendach stieg Rauch
empor! Der Leiter der Klützer Feuerwehr war in wenigen Minuten mit Feuerlöschapparaten zur Stelle.
Gott sei Dank stellte sich bald heraus, daß der Blitz nicht gezündet hatte.
Dennoch hatte er allerlei schwere Zerstörungen angerichtet. Die Verkleidung der Turmspitze aus
Kupfer war aufgerissen, das Uhrengehäuse zertrümmert, die gesamte Lichtleitung in einer Länge von
mehreren 100 Metern zerstört. Viele Rundfunkemfänger in Klütz waren beschädigt, Lichtzähler in der
Umgebung der Kirche einfach aus der Wand gerissen. Auch die Läuteanlage, besonders die automatische
Schaltung für das Abendläuten waren arg mitgenommen. Die Blitzschäden allein in der Kirche und am
Turm beliefen sich auf 1200 DM."
Die bewegende Geschichte der Klützer Kirchenglocken
Im Turm der Klützer Kirche hängen 4 alte Glocken. Die größte (siehe Bild) zeichnet sich durch ihren vollen Ton aus.
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Die Inschrift am oberen Ring lautet:
NICOLAUS * BIN * ICK * GhE * hETEN * DE * VAM * DEME *
KLUZE * LETEN * MI * GhETEN * hERICK * VAN * CAMPEN *
ANNO * M * V * VIII * SANTE * NICOLAE * ORA * PRO*NOBIS
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Die drei weiteren Glocken mußten in den Wirren des 2. Weltkrieges zum Einschmelzen abtransportiert werden,
sie konnten aber glücklicherweise gerettet werden.
Über die bewegenden Umstände berichtete Pastor Willy Wömpner in seiner Chronik:
"Am 3. Advent, den 3. Dezember 1941 fand die Glockenopferfeier im Gottesdienst statt.
Auf Anordnung der Reichsstelle für Metalle mußten alle Bronzeglocken kriegswirtschaftlichen
Zwecken nutzbar gemacht werden. Trotz aller Anträge, wie im 1. Weltkriege die 4 Kirchenglocken
von der Ablieferung freizustellen wegen ihres überragenden geschichtlichen und künstlerischen Wertes,
wurde am 4. Dezember 1941 verfügt, daß die 3 nachstehend beschriebenen Kirchenglocken noch vor
Weihnachten abgeliefert werden sollten:
- Die zweitgrößte Glocke, auch Vorglocke genannt aus dem Jahre 1688.
Gewicht: 1000 kg, Durchmesser 122 cm, eingestuft in Gruppe A
- die drittgrößte Glocke, auch Bürgerglocke genannt, aus dem Jahre 1413 (1513)
Gewicht: 750 kg, Durchmesser 105 cm, eingestuft in Gruppe C
- die vierte Glocke, auch Pingglocke genannt, aus dem Jahre 1750,
Gewicht 250 kg, Durchmesser 77 cm, eingestuft in Gruppe A
Allein die große und wertvollste Glocke wurde in die nicht zur Ablieferung kommende Gruppe D eingestuft und durfte auf dem Turm verbleiben.
Am 3. Advent, den 14. Dezember 1941, wurde nach der Predigt über Jeremia 22,29 der nachfolgende Aufruf verlesen:
"in den nächsten Tagen werden drei unserer alten Kirchenglocken abgenommen und sollen für Kriegszwecke verwendet
werden. Viele Jahre haben sie ihre Stimme erschallen lassen und das Leben unserer Gemeinde begleitet. Ihre Stimmen
sind hineingeklungen in Freude und Leid der einzelnen und der Gesamtheit. Sonntag für Sonntag haben sie die Gemeinde
zur Kirche gerufen und sie an den erinnert, den über allen Dingen zu fürchten, zu lieben und zu ehren gilt. Nun werden
sie in den Dienst des Vaterlandes treten, dem wir alle mit Leib und Gut verpflichtet sind. Wie die Söhne unseres
Volkes ihr Leben zum Schutz der Heimat einsetzen, so soll das Metall der Glocken wiederum unsere Kämpfer wappnen
und schützen helfen. Darum wollen wir die Glocken gern als Opfer für unser Vaterland darbringen und es mit frommen
Wünschen und Gebeten begleiten, daß Gott diesen geringen Beitrag im Entscheidungskampf für Deutschlands Zukunft segnen möge!"
Nach der Schlußliturgie fand in einer völlig erstarrten Gemeinde, in der viele Augen vor Schmerz und Weh feucht wurden,
daß Abschiedsläuten statt. Die abzuliefernden Glocken läuteten noch einmal jede etwa 3 Minuten allein. Dann ging die Gemeinde
nach draußen und noch einmal setzte volles Geläut aller vier Glocken für 15 Minuten ein. Dann wurden alle Glocken
nacheinander abgeschaltet. Zum Schluß läutete die in der Gemeinde verbleibende große Glocke noch 5 Minuten allein.
Sie hat dann in den kommenden schweren Kriegs- und Nachkriegstagen ihren Dienst allein und in einem Maße tun müssen wie nie zuvor.
Am Montag den 15. Dezember begann die Abnahme der drei Glocken von auswärtigen Handwerksmeistern ausgeführt. Einige
Tage lagerten sie dann noch vor dem Turmeingang, bis sie dann entgültig am 17. Dezember, einige Tage vor Weihnachten
abtransportiert wurden.
Durch die ganze Gemeinde ging ein tiefes unbeschreibliches Weh! Konnte ein Volk noch siegen, daß sich an Gott geweihten
Dingen vergriff? Ich vergesse es nie wieder, daß mir an diesen Tagen ein angesehener klützer Bürger sagte:
"Das ist das Ende! Nun gibt es keinen Sieg mehr! Es wird ein furchtbares Ende für uns alle geben!" - Er hat recht behalten!"
"Das größte Ereignis dieses Jahres (1949) war die Rückführung unserer drei abgelieferten Kirchenglocken!
Unsere 3 abgelieferten Kirchenglocken waren im Hamburger Glockenlager unversehrt aufgefunden und waren nicht zu
Kriegszwecken verwendet worden. Am Abend vor dem ersten Adventssonntag erhielt pastor loci von Schönberg aus die
fernmündliche Nachricht, daß die drei Glocken in Schönberg angekommen seien und von dort von uns zurückgeholt werden müßten.
Der Spediteur Paul Grüder in Klütz übernahm es, sie so schnell als möglich nach Klütz zu transportieren.
Am Freitag vor dem 2. Adventssonntag kamen sie auf dem Bahnhof in Klütz an.
Am Sonnabend, dem 3. Dezember wurden die drei Glocken auf einen tragfähigen Rollwagen verladen und mit Tannengirlanden
und Bändern geschmückt, um am 2. Adventssonntag, den 4. Dezember in feierlichem Zuge wieder eingeholt und zum
Gotteshaus zurückgeholt zu werden. Es regnet an diesem Sonntag in Strömen und ein starker, sturmartiger Wind peitschte
den Regen gegen die Häuser und Scheiben.
Um 8.30 Uhr fand eine Gebetsandacht im Altarraum der Kirche statt, die festlich mit Tannengrün und Blumen geschmückt war.
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